Jana Chantelau

Heilpraktikerin für Psychotherapie (HeilPRaGe), Lerntherapeutin, Anti-Mobbing-Beraterin und Coach aus Berlin-Prenzlauer Berg.

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E-Mail: info@jana-chantelau.de

Charisma begründen

Charisma begründen

Jeder Mensch hat persönliche Ausstrahlung – und nur Wenigen wird Charisma zugesprochen. Das griechisch-stämmige Wort chárisma ist biblischen Urspungs.

Es wird meist als Gnadengabe übersetzt und u.a. durch die Erzählungen über Paulus von Tarsus gedeutet: Wie vom Blitz getroffen fällt er vom Pferd, erblindet zeitweise und glaubt – quasi „bestürzt“ – die Stimme von Jesus von Nazaret zu hören. Die Frage: “Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ schallt nämlich aus dem Himmel heraus. Dieses persönliche Schlüsselereignis löst in Saulus eine selbstwirksame wie auch fremdverstärkte Transformation aus.
Denn der Jesus-Jünger Hananias zügelt seine Angst vor dem Unbekannten und legt seine „heilenden Hände“ auf die Verwundungen des Saulus. Daraufhin kehrt dessen Sehkraft zurück. So kann sich Saulus sehenden Auges zum einsichtigen und hellsichtigen Paulus entwickeln, der mit Licht und Schatten und – buchstäblich aus sich selbst heraus – sich selbst (er -)kennt und zuverlässig zu differenzieren weiß (zumindest nach der Apostelgeschichte des Lukas im Neuen Testament, 9,1 – 43.) Dieser Hintergrund veranschaulicht, warum sich der Begriff des Charismas den Kategorien des wissenschaftlichen Denkens entzieht: Die charismatische Kraft wirkt nämlich aktiv auf andere ein, während sie in der charismatischen Person selbst passiv und manifest bleibt – als Ergebnis eines zum Abschluss geführten  Verarbeitungsprozesses, der sich im Individuum inbegrifflich verankert hat und physischer wie auch psychischer Natur sein kann – oder sogar beide Formen zugleich annimmt, wie bei Paulus von Tarsus.

Aus meiner Lebenserfahrung heraus ist für diesen Verarbeitungsprozess charakteristisch, dass…

– …die Bedeutungsschwere einer vormaligen Erschütterung re-strukturiert wird, um eine inhaltliche Umdeutung eigeninitiativ und selbst-kompensatorisch zu ermöglichen. Zum Beispiel, indem die positiven und konstruktiven Aspekte stärker als zuvor darin zutage treten.
Oder indem sich ein eigenständiger rhetorischer Duktus heranbildet, um bild-, stimm-, sprech- und schriftsprachlich benennen zu können, was vorab innerlich erfasst und als einzigartig bereits begriffen wurde. In der Jugend-Zeitschrift Micky Maus umreißt die Comic-Figur Daniel Düsentrieb diese innere Haltung ungefähr wie folgt: „Zwischen Wahnsinn und Verstand liegt oft nur eine dünne Wand.“ Und charismatische Menschen sind meist auf der Seite des Verstands verortet.

– …die Erfahrung der „inneren Reformation“ das buchstäbliche „Selbst-Bewusstsein“ charismatischer Leute festigt und verdichtet, weil sie angesichts einer außeralltäglichen Krisenphase bereits erlebt haben, wie sie ihre persönlichen Kompetenzen verlässlich und flexibel zur Anwendung bringen können, um positiven wie negativen Ereignissen dieser Art zeitlebens und allenortes „gewachsen“ zu sein. Zum Beispiel, indem sie ihre Entscheidungsgrundlagen auf veränderte Bedingungen anpassen oder indem sie schlichtweg in besonderem Maß dazu fähig sind, ihr eigenes Stamina wirklichkeitsnah einzuschätzen. Die Comic-Figur Popeye formuliert ähnliche Gedanken u.a. wie folgt: „Ich bin, was ich bin, und das ist alles, was ich bin!“

– …dadurch nicht zuletzt das Grundvertrauen charismatischer Menschen in andere Menschen gestärkt wird, weil sie bereits erfahren haben, dass sie mithilfe ihrer adäquaten Selbsteinschätzung, ihrer eigenen Willenskraft, Zukunftszuversicht, Empathie-Fähigkeit und Improvisationsgabe externe Einflüsse organisieren, koordinieren und für sich vereinnahmen können. Zum Beispiel, um außerordentliche persönliche Situationen im Schulterschluss mit anderen (wieder) in Ordnung zu bringen. Aus meiner Warte steckt diese Haltung u.a. hinter dem Ausruf des Aktionskünstlers Joseph Beuys (1921 – 1986): „Zeige deine Wunden, und du wirst geheilt! Verberge deine Wunden, und du wirst nicht geheilt!“

Folglich fußt das Charisma einer Person auf einer Transzendenz-Erfahrung, die – im Gegensatz zur Extro- oder Introvertiertheit – weder angeboren noch trainierbar ist.

Umständehalber scheint sie vielmehr „gnädig“ einzutreten. Oder auszubleiben. Darin scheint sich u.a. das „visionäre“ Leistungsvermögen zu begründen, das charismatischen Menschen von ihrem Gegenüber häufig zugeschrieben wird. Ihre außerordentliche Erlebnis- und Wahrnehmungshorizont erklärt auch ihre enigmatische Präsenz im Auge der Betrachenden. Weil sie keiner großen, geschweige denn: personenübergreifender Worte oder Gesten bedarf, ist sie wissenschaftlich kaum messbar und auch sonst für andere nur schwer zu erfassen.

Charisma begründen