Mein Beruf bedingt, die Möglichkeit schlechter Verläufe bewusst im Blick zu behalten. Zum Teil begründet sich darin, warum ich als „Nachrichten-Junkie“ gelte.
Ich will – und muss teilweise – „wissen“, was los ist: um mich herum, in meiner Heimatstadt, im Bundesland, sogar bundesweit. Dies bringt den Vorteil, dass ich negativ besetzte Fakten meist zügig mitbekomme und angesichts der Informationsdichte den eigenen Fortschrittsglauben kritisch beäugen kann, um ggfs. meine Ansichten neu zu justieren. Wenn in unterschiedlichen Medien beispielsweise das Leistungsvermögen oder die Datensicherheit technischer Geräte getestet wird und die Produkte marktführender Hersteller wider meiner Erwartungen abschneiden, überprüfe ich noch ausstehende Investitionsentscheidungen.
Dass die sogenannten „bad news“ – also: die „schlechten Nachrichten“ – hierzulande qualitativ hohe Prominenz haben wie auch quantitative Dominanz erlangen, liegt meiner Meinung nach u.a. an der Hauptfunktion öffentlicher Berichterstattung: Zugunsten der „Durchschnittsbürgerinnen und Durchschnittsbürger“, auch zugunsten Demokratie per se, ist ihr Zweck schlussendlich, das Tagesgeschehen möglichst schnell, massentauglich, prägnant und durchschaubar aufzubereiten.
Meist bleibt bereits an den Geräten das Bewusstsein auf der Strecke, dass die abgebildeten Informationen vorab redaktionell selektiert, kategorisiert und inhaltlich ins Format gebracht wurden.
Meist bleibt bereits an den Empfangsgeräten das Bewusstsein der Menschen auf der Strecke, dass die abgebildeten Informationen vor-ab redaktionell selektiert, kategorisiert und inhaltlich ins Format gebracht wurden. In Form von Kürzungen, Gewichtungen, Bildaus-schnitten oder bei der Wortwahl bleiben die Färbungen und Tonalitäten der Machenden keineswegs aus. Innerhalb dieser Prozesse entsteht aus wenigen Momentaufnahmen heraus eine mehr oder minder „wertvolle“ Nachricht, die im Ergebnis den Anspruch auf annähernde „Objektivität“ erhebt. Und oft auch einen solchen Anschein führt – zumindest außerhalb von Glossen, Kommentaren, Rezensionen o.ä. Gattungen.
Bei der Informationsaufnahme bzw. bei der Aufnahmeverweigerung passieren zweite und dritte Auswahlvorgänge, indem das Publikum als Gruppe wie auch das Individuum darin eine Reaktion zeigt. Oder eben nicht. Denn nach dem Kommunikationspsychologen Paul Watzlawick (1921 – 2007) besteht eine Form von Kommunikation auch in der „Nicht-Kommunikation“.
Letztlich konstruiert man selbst das eigene Wirklichkeitsbild wie auch die persönliche Realitätsnähe, trotz vorgeprägter „Bauteile“ und der Dynamik von Fremdwahrnehmungen. Die „Kittmasse“ zwischen diesen Wechselwirkungen sind ur-menschliche Faktoren wie etwa die evolutionär-bedingte Tatsache, dass das Gehirn Alarmsignale priorisiert und die Entwarnungszeichen nachrangig bearbeitet. Oder dass die Gegenwartsfreude gegenüber der Verlustangst in der Regel „den kürzeren“ zieht. Gerade solche Phänomene generieren den Verkaufs- und Stellenwert von „schlechten Nachrichten.“